Ein Obst- und Waldparadies
Ist es nicht doch etwas zu viel, Rabelsdorf, das liebenswürdige Dorfidyll in der Nordostrecke unseres Kreisgebietes, ein Paradies zu nennen? Es dürfte der richtige Tag sein, morgen an der Rabelsdorfer Kirchweih dorthin zu wandern und das Angenehme dieses Tages mit dem Wertvollen, nämlich heimatkundlichen Schauen und Forschens zu verbinden.
Gesegnetes Obstland
Von Junkersdorf, der Bahnstation, aus steigt eine saubere, zwei Kilometer lange Straße zunächst etwas an, entschädigt uns aber bald beim Rückwärtsschauen auf den romantischen Fachwerkturm der Junkersdorfer Kirche und all die alten Häusergiebel, die wie ein stimmungsvolles Gemälde mit bunten Farben auf die dunkelgrüne Wand des Schlüsselrangens hingemalt scheinen. Und weiter geht’s und wieder bleiben wir überrascht stehen und schauen; von Wald umsäumt , liegt Altenstein als malerisches Bergdorf mit den grotesken Formen ruinenhafter halbversunkener Burgherrlichkeit vor uns. Und da sind wir schon mitten in den großen, großen Rabelsdorfer Obstgarten, der sich hinunterzieht bis zur Talsohle, in der sich das schmucke und verträumte Dörfchen versteckt. Selten finden wir eine solch günstige Obstanlage, vollkommen geschützt vor der scharfer Nord- und Ostwinden und es ist kein Wunder, dass sich edelste „Geschlechter“ wie Gravensteiner, Ontario, Blenheim, Boskop, Eiserapfel, Williams Christbirne, Frühe von Trevoux und andere hier angesiedelt haben.Wenn freilich, wie heuer im Juni, noch eine einzige Nacht das Thermometer auf minus 5 Grad drängt und wenn Stürme von Windstärke elf die kleinen Früchte zentnerweise herunterreißen, dann nützt alles nichts, dann wird die Natur selbst zum größten Feind ihrer eigen Schöpferkraft.
Eine besondere Vegetation
Prachtvolle Waldbestände ziehen sich bis hart an das Dörfchen heran und umrahmen Rabelsdorf von Norden und Osten. Ein paar hundert Schritte den Berg hinauf links vom Rabelsdorfer Steinbruch liegt das Felsenlabyrinth der Diebskeller, über die wir in alten Schriften lesen: „Große Felsen bergen Höhlen, die mit ihrem Modergeruch und er Dunkelheit Schauder erregen. Hier sollen sich einst Räuber aufgehalten haben.“ Man darf annehmen, dass es sich m eine heidnische Opferstätte handelt, die als ehemalige Druidenhöhle prähistorisch höchst interessant ist. Sicherlich sind die Felsenlager der Diebskeller Zeugen der Eiszeit und wurden vor vielen Jahrtausenden mit den Gletschern und Wasserströmen von der Höhe in die Tiefe gerissen. Eine besondere Vegetation macht das Gebiet botanisch interessant.
Ein Blick in die Geschichte
Als Siedlung des Germanen „Rabanold“ lag Rabelsdorf ursprünglich an einer anderen Stelle, oben auf der Höhe gegen Altenstein zu. Nach dem Dreißigjährigen Krieg, der alles zerstört hatte, siedelte man sich in der trockneren, geschützteren Talsohle an. Die Erbauungszeit der meisten Häuser von 1700 bis 1709 spricht für diese Tatsache.Das kleine Dorf war in alter Zeit Lehensbesitz der Herren von Altenstein. Zwei Höfe zinsten den Freiherren von Lichtenstein, während den Voiten von Rieneck ins alte Schloss nach Wasmuthausen alljährlich mehrere Fuder Wein aus den Weinbergen der alten Dorfmarkung zu liefern waren.Vergilbte Steuerrechnungen melden immer wieder, dass der gelieferte Most so sauer war, dass er zum größten Teil unverkäuflich blieb und höchstens als Essig Verwendung finden konnte. Zwei Bauern in Rabelsdorf waren zudem Eberner Pfarrlehensuntertanen. Mutterkirche für das klein Ganerbendorf war bis 1842 Pfarrweisach. Seit über hundert Jahren gehören die Protestanten nach Altenstein, die Katholiken wie bisher nach Pfarrweisach.
Ein schlichtes Kirchlein mit uralten Glocken
Das schlichte, einfache Kirchlein aus dem 17. Jahrhundert mit seinem Dachreiterlein und dem vierseitigen Helm birgt die ältesten Glocken des gesamten Kreisgebietes, die größere mit einem Durchmesser von 0,48 m und der Umschrift:
„GABERHEL – ZU – NURMPERG – HAT – MICH – GOSSEN - IM1559 - JAR“
Die zweite mit 0,43 m Durchmesser zeigt die Buchstaben „CWAT“ und die Reliefs St. Vitus und der heiligen drei Könige mit der Jahreszahl 1589. Beide Glocken blieben erhalten. Im Inneren lassen bemooste Steinplatten, eine Barockkanzel vom Jahre 1700 und ein ein anspruchsloser Altar von 1689 mit Holzfiguren Christi am Kreuz und St. Peter und Paul das hohe Alter des Kirchleins sofort erkennen.
Ein Musterdörflein
Rabelsdorf ist in Hinsicht auf Reinlichkeit und Ortsverschönerung ein Musterdorf. Die Straßen sin solid und sauber gefasst. Das Dorf ist kanalisiert. Hübsche Vorgärten mit Koniferen und Zierbäumen beleben die Häuser und Höfe, die nach dem Krieg überall Verbesserungen und Vergrößerungen erfuhren. Das gepflegte Schnellerbächlein der Stimmungsvolle Dorfteich der malerische alte Dorfbrunnen, alles umsäumt von vollstämmigen Birken, quitschvergnügte Puten, Gänse, Enten wohin man schaut, erfreut das Auge, lassen aber auch ahnen, welch leckerer Bissen am morgigen Kirchweihtag den Bratpfannen entsteigen werden.
Karl Hoch 03. September 1949